Jetzt ist die richitige Zeit für die Bereinigung für das Produktportfolio! Warum? Dies haben wir in den Teilen 1 und 2 unserer Serie AHA+L fürs Produktportfolio gezeigt. Doch wie geht das am effizientesten? Hier möchten wir Tipps aus unserer langjährigen Praxis geben.
Jetzt ist Zeit für AHA+L fürs Produktportfolio. Was meinen wir damit? Analyse, Healthcheck, Aussortieren, und dann: Loslegen.
AHA+L fürs Produktportfolio
A – Analyse
Als erstes sollten Sie Ihr Portfolio analysieren. In vielen Unternehmen, besonders im B2B, sind die Produkt-Varianten nicht prominent bekannt. Manche sind nur einmalig für einen Kunden entwickelt worden – und irgendwie immer noch im ERP-System, bereit für eine Bestellung. Oft sind die Vertriebler bereit, jeden Kunden die Produktvariante zuzugestehen, die dieser sich wünscht. Wichtig ist erstmals zu verstehen, was das Unternehmen überhaupt erfolgreich anbietet.
„Unternehmen wissen doch, was sie anbieten!“
Sie meinen vielleicht: Im Großen und Ganzen wissen wir, was wir anbieten. Doch oft hat das Unternehmen in einer entlegenen Region oder für die speziellen Anwendung eines bestimmten Kunden Varianten entwickelt, die eine entfernte Filiale immer noch anbietet (manchmal ohne Umsatz zu generieren, oder nur einen geringen). Und diese Varianten belasten das Produktportfolio, sprich den Einkauf, die Logistik, die Produktion, oder gar das Marketing und den Vertrieb, die all die Varianten berücksichtigen müssen.
Mit der Zeit entstehen Varianten vom Produkt und Varianten von Varianten, und schlimmstenfalls ist das Unternehmen für jede Variante an einem bestimmten Lieferanten gebunden oder muss die Produktion kurzfristig umstellen, um diese Produktversion anzufertigen. Es kann auch sein, dass eine Produktvariante eine negative Marge aufweist. Oder dass ein Kunde, der besonders schwierig und strukturell belastend ist, der einzige ist, der dieses Produkt bestellt.
H – Healthcheck durchführen
Bei der richtigen Analyse merkt man, dass manche Produkte keinen Mehrwert für Kunden und das eigene Unternehmen bringen. Diese kosten nur und verstopfen im schlimmsten Fall die Fertigung. Ist es da die Lösung, den Artikel einfach auszulisten, um die Gesundheit des Unternehmens zu verbessern?
Nicht unbedingt: So ist das auch mit dem Menschen beim Healthcheck: Habe ich ein bösartiges Muttermal, besteht wahrscheinlich die Lösung darin, dieses chirurgisch komplett zu entfernen. Funktioniert dagegen mein Herz fehlerhaft, ist es vielleicht ungünstig, diesen operativ auszureißen.
Es kann sein, dass das Produkt an sich nicht viel Umsatz bringt oder gar eine negative Marge aufweist. Aber zur Gesundheit des Unternehmens trägt es bei, weil es eben die Voraussetzung ist, dass der Kunde immer wieder ein teures, margenstarkes Produkt kauft. Ein bekanntes Beispiel sind die Drucker, die ganz billig verkauft werden, wobei das Business Modell von Canon, Epson und HP vorsieht, dass das Geld bei den Patronen wieder eingeholt wird.
Also der Healthcheck an sich ist nicht so trivial – da ist es wichtig zu wissen, z.B. welche Abhängigkeiten an dem Produkt hängen und welche wichtigen Kunden wir verärgern oder verlieren, wenn wir einen auf dem ersten Blick unprofitablen oder unwichtigen Produkt aus dem Sortiment nehmen.
A – Aussortieren
Die Analyse und der Healthcheck fließen oft ineinander. Das Aussortieren aber ist eine weitere bewusste, wichtige Etappe. Die Bereinigung des Produktportfolios macht viele Kompromisse erforderlich, setzt aber auch große Durchsetzungskraft voraus.
Denn es gibt Gründe, wieso diese Produkte im Portfolio überlebt haben. Und deswegen ringt möglicherweise der Kunde und sein Botschafter im Haus, der Vertrieb, um jede Variante. Konflikte können entstehen.
Das Aussortieren muss also gut vorbereitet werden. Das Unternehmen muss sich darauf gefasst machen, dass in dem Prozess möglicherweise Kunden verloren gehen. Bei der richtigen Analyse sind dies keine Kunden, die zum Erfolg ihres Unternehmen beitragen können.
Außerdem ist es häufig möglich, ein Produkt durch ein anderes zu ersetzen. Ob dieses sich im Produktportfolio schon befindet, oder woanders gesourct werden kann, ist auch eine Aufgabe während des Aussortierungsprozesses. Besonders bei Produkten, die zwar unprofitabel sind, aber große Abhängigkeiten mit den Cash Cows oder Stars haben, ist die Suche nach einer Alternative sinnvoll. Es kann sein, dass Sie dieses Service für den Kunden gezielt anbieten.
Die professionelle Bereinigung des Produktportfolios setzt voraus, dass die Kunden weiterhin zufrieden sind. Diese müssen also rechtzeitig gewarnt und ausreichend vorbereitet werden. Die Einweisung der Lieferanten und aller Beteiligten ist auch ein Erfolgsfaktor der Aussortieren-Phase.
+L – Loslegen: Neue Produkte
Diese Phase gehört zwar nicht zur Bereinigung des Produktportfolios. Aber auch die „+L“-Phase ist die Aufgabe des Produkt-Managers. Denn ohne eine Erneuerung, ohne die Zukunftsvisionen, wird auch irgendwann der bestgetrimmte Produktportfolio nicht profitabel. Denn irgendwann ist kein Ballast mehr da. Die Stars von morgen müssen heute geboren werden. Wie beim Heißluftballon: Der „Brenner“ ist gefragt.
Die Analyse vor der Bereinigung des Produktportfolios
Für eine relativ einfache Version der Analyse-Phase hat sich in unserer Erfahrung eine Pareto-Analyse als erfolgreich erwiesen. Mit ihr kann man im Unternehmen auch gute Argumente bringen, wieso gerade diese Produkt-Linie oder -Variante abgeschafft werden muss. Worauf bezieht sich die Pareto-Analyse? Wir bevorzugen eine Kombination aus Umsatz/Marge und Bedeutung des Kunden für das Unternehmen.
Hauptargument: Das Produkt macht wenig Umsatz
Es ist das einfachste Kriterium: Das Produkt ist für wenig Umsatz verantwortlich. Die Produkte werden nach Umsatz (oder nach ihrem Anteil an der unternehmensweiten Marge) klassifiziert – und diejenigen, die sehr wenig Umsatz/Marge abgeben, sind es nicht wert, weiter angeboten zu werden.
Das Gegenargument, das sofort vom Vertrieb kommt, ist dieser: „Das ist ja ein Nischenprodukt, das weiß ich! Aber gerade wegen dieses Produkts ist Kunde X zu uns und nicht zum Wettbewerber gekommen!“. Oder ähnliche Diskussionen werden geführt, wieso dieses Produkt für irgendwelche Kunden bedeutend ist.
Haben wir bei der Wahl des Hauptarguments dann doch das falsche Kriterium ausgesucht? Wäre es nicht sinnvoller, die Produkte auszusortieren, die nur unwichtige Kunden haben möchten?
Zweites Argument – Keine wichtigen Kunden interessieren sich für dieses Produkt
Bei der Bereinigung des Produktportfolios werden die Produkte bzw. Produktvarianten aussortiert, die nur von unwichtigen, sporadisch bestellenden, für wenig Umsatz verantwortlichen Kunden bestellt werden.
Das leuchtet ein! Doch was könnten Gründe sein, warum diese Herangehensweise trotzdem falsch ist? Es kann eben sein, dass extrem viele kleine Kunden das Produkt einmalig bestellen, sodass es viel Umsatz generiert, obwohl nur unwichtige Kunden es kaufen.
Ein anderes Gegenargument wäre, dass gerade dieses unser Cash Cow bleibt. Weil es ganz einfach zu produzieren und zu vermarkten ist, generiert es ohne große Anstrengungen eine hohe Marge. In diesem Fall macht es Sinn, das Produkt im Sortiment zu behalten, auch wenn nur unwichtige Kunden es kaufen.
Kombination aus Produktumsatz und Kundenwichtigkeit
In der Praxis haben wir meistens eine Kombination von diesen beiden Argumenten benutzt. Wir schaffen die Produkte weg, die weder von unseren wichtigen Kunden gekauft werden noch viel Umsatz bringen.
Als Beispiel nehmen wir einen Grossist für italienische Waren, wo Trattorien und Restaurants einkaufen. Er hat mit einem exzellenten Olivenöl-Produzent einen Exklusivvertrag unterschrieben und kann das beste Olivenöl der Stadt anbieten. Deswegen kaufen die Nobelrestaurants und die besten Feinkostläden bei ihm ein. Wenn sie schon da sind, kaufen sie auch gängige Waren in Mengen, sodass das Premium-Olivenöl zwar nur zu einem kleinen Teil des Umsatzes beiträgt, aber die wichtigsten Kunden bringt. Umgekehrt hat der Grossist einen günstigen Parmaschinken im Angebot, den viele kleinen Trattorien kaufen. Das sind zwar keine großen Kunden, aber in der Masse bringt das Produkt viel Umsatz. Die Kekse aber, die nur ein kleiner Spezialitätsladen kauft, sollten bei der Bereinigung des Produktportfolios weggeschafft werden. Für diesen einen Kunden sind sie zwar wichtig, aber für den Grossist nicht. Und er kann es verkraften, wenn er diesen Kunden verliert.
Die Kombination von diesen zwei Faktoren bringt uns eine gute Sicht auf die Zusammensetzung des Produktportfolios und die Konsequenz der Bereinigung des Produktportfolios auf den Umsatz und die Beziehung zu den Kunden.
Es ist zwar eine sehr einfache Herangehensweise. Aber manchmal ist diese Einfachheit genau das, was ein Unternehmen braucht, um die Bereinigung des Produktportfolios anzustoßen.
Betrachtungen aus der Krisenzone: Produktportfolio an die neue Situation anpassen
Eine Bereinigung des Produktportfolios ab dem Jahr 2021 hat einen weiteren Aspekt. 2020 haben viele Paradigmenwechsel stattgefunden. Vielleicht müssen Unternehmen gar ihr Business-Modell überdenken (siehe dazu den Blogbeitrag: Umstellung des Business-Modells meistern). Für einige sieht die Situation nach der Krise ganz anders als die bisherige aus. Die Beobachtung der alten Zahlen ist in diesem Fall wenig aussichtreich.
Für die Neuaufstellung sollten Produkt-Manager*innen drei Dimensionen beim Betrachten des Produktportfolios berücksichtigen:
1. Der Markt:
Welche Märkte haben besonders unter der Krise gelitten? Da können wir sowohl die geographischen Märkte als auch die Produktbereiche unter die Lupe nehmen. Wenn mein Unternehmen Kühlsysteme herstellt, sollte man sich vielleicht weniger auf die Gastronomie als auf den Transport und die Lagerung von Impfstoffen konzentrieren.
2. Die Kunden:
Manch ein Unternehmen fährt ruhiger durch die Krise. In bewegten Zeiten zeigt sich einerseits die Stabilität des Managementteams. Andererseits sind Krisen der reale Stress-Test für die Kunden. Manche sind konsistent spät dran beim Bezahlen der Rechnungen geworden… Da ist es klar, dass es nicht lange gut gehen kann. Auch wenn diese bisher zu Ihren besten Kunden gehörten, sollten Sie nicht zu viel auf ihnen setzen.
3. Die Produkte der Zukunft:
Auf welche Produkte muss das Unternehmen jetzt achten? Klar, die Versuchung ist groß, erstmal die Lagerbestände los zu werden. Doch wenn wir unsere Marketing- und Vertriebsteams geballt auf diesem Ziel fokussieren, stehen sie nicht zur Verfügung, um die Produkte der Zukunft zu vermarkten. Besser ist, längerfristig zu planen und die „Winterware“ einfach abzuschreiben.
Es gibt noch viele weiteren Kriterien, die zur Bereinigung des Produktportfolios herangezogen werden können. Wir haben in diesem Beitrag eine einfache Lösung vorgestellt, in dem Wissen, dass nichts im Unternehmensgeschehen einfach ist.
Welche anderen Kriterien zur Bereinigung des Produktportfolios herangezogen werden sollten und wie das beherrschbar ist, ist Thema im nächsten Beitrag dieser Serie: Diese 10 Argumente sollten Sie noch kennen, bevor Sie Ihr Portfolio bereinigen.
AHA+L fürs Produktportfolio, die Miniserie
Bisher erschienen:
- 1 – Jetzt handeln: Portfoliobereinigung!
- 2 – Betrifft das Ihr Unternehmen?
- 3 – Zwei Trends bei der Portfoliooptimierung in der heutigen Krise
- 4 – Bereinigung des Produktportfolios: So gehen Sie vor (dieser Artikel)
- 5 – Diese 10 Faktoren sollten Unternehmen beachten, wenn sie ihr Portfolio bereinigen
- 6 – Portfolio optimieren – 8 Gründe, warum Produkte unbedingt im Portfolio bleiben sollten
Über den Autor:
Uwe Brüggemann ist Geschäftsführer der BM-Experts, Interim Manager, Buchautor und Keynote-Speaker.
Seine Tipps bezieht er aus seiner langjährigen Erfahrung als Produkt-Manager, Leiter Produkt-Management oder Interim-Manager im Bereich Vertrieb und Produkt-Management in global agierenden Unternehmen in den Bereichen High-Tech-Produkte und B2B.
BM-Experts GmbH: Den Kundennutzen steigern
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