AHA+L fürs Produktportfolio (5): Portfolio bereinigen – Diese 10 Faktoren sollten Unternehmen beachten

Viele Unternehmen müssen momentan besonders drastisch Kosten senken. Denn die Schonfrist ist vorbei: Kosten senken ist angesagt. Viele Unternehmen werden Ihre Produktpalette nicht mehr vollständig anbieten können. Was hilft? Portfolio bereinigen. Welche Faktoren Unternehmen dabei beachten sollten, erfahren Sie hier.

Portfolio bereinigen: Diese 10 Faktoren sollte man beachten.Das Erfahren Sie hier: Portfolio bereinigen: Aus der Serie „AHA+L fürs Produktportfolio“; 10 Gründe, ein Produkt aus dem Portfolio zu nehmen.In der Blogserie AHA+L fürs Produktportfolio haben wir gezeigt, dass Unternehmen viele Vorteile davon haben, wenn sie ihr Portfolio bereinigen. Im letzten Beitrag (Bereinigung des Produktportfolios: So gehen Sie vor) stellten wir eine Methode für eine Portfolio-Analyse vor. Dabei haben wir die zwei maßgebliche Faktoren gezeigt, die für die Analyse notwendig sind.

Das war einigermaßen einfach. Aber vielleicht war es etwas zu schematisch. Denn es gibt viele weitere Faktoren, die für Unternehmen genauso ausschlaggebend sein können, warum ein Produkt aufgegeben werden sollte.

Portfolio bereinigen: Beachten Sie diese 10 Faktoren.

Was sind die Top-Argumente dafür, dass ein Produkt aus dem Portfolio verschwinden soll?

AHA+L fürs Produktportfolio - Bereinigung des Produktportfolios

Bereinigung des Produktportfolios: So gehen Sie vor.

Damit es auch klar ist, nennen wir zuerst die zwei klassischen Argumente, die wir auch in unserer Methodik genannt haben.

Faktor 1: Der Produkt macht wenig Umsatz / wenig Marge

Das scheint klar zu sein. Wenn ein Produkt keinen Umsatz macht, dann kann man es aus dem Sortiment nehmen. Ebenso klar verhält es sich mit der Marge.

Deswegen werden diese Faktoren oft als Basis genommen, worauf die Produkte im Portfolio bewertet werden. Dass die Analyse sich nicht darauf beschränken sollte, haben wir im Teil 4 schon ausführlich erklärt: Vor allem wegen den wichtigen Kunden.

Faktor 2: Produkte, die von Kunden mit geringen Umsatzanteil gekauft werden, sind unwichtig.

Wenn die Kunden, die sich für ein Produkt interessieren, nur wenig Geld beim Unternehmen lassen, kann man getrost das Produkt vergessen, natürlich bei Beachtung von Faktor 1.

Stimmt’s?

Naja, nicht immer. Ansonsten wären Brötchen aus dem Angebot deutscher Bäckereien längst verschwunden… Manchmal macht’s eben die Masse. Viele kleine Kunden, die wenig Geld ausgeben und keine Schwierigkeiten machen, bringen möglicherweise zusammen gesehen genug Umsatz fürs Unternehmen.

Kundennutzen

Der Kundennutzen setzt sich aus der Leistung des Produktes, Total Cost of Ownership, Vertrauen und Convenience zusammen.

Eine Kombination mit Faktor 1 (Produkt mit wenig Marge und wenig Umsatz) ist da immer geboten. Der Bereich kann weg.

Die erste zwei Faktoren sind im Teil 4 erläutert worden.

Faktor 3: Der (zukünftige) Kundennutzen

Die Betrachtung des Kundennutzens ist strategischer Natur: Da geht der Blick Richtung Zukunft. Denn der bisherige Kundennutzen ist meistens gegeben, wenn das Produkt gekauft wurde.

Doch wenn der Kundennutzen nur noch grenzwertig ist, kann das sein, dass der Kunde aus Gewohnheit kauft, oder weil er einfach die gleiche Ausstattung wie bisher haben möchte.

Ein Beispiel: Die Kamera

In Zeiten hochausgerüstete Smartphones ist der Kundennutzen eines gewöhnlichen Fotoapparats eher niedrig. Schon 2011 wurde ein Fotojournalist für Iphone-Fotos prämiert. Heutzutage sind Smartphone-Fotoprofis keine Rarität mehr. Klar werden noch reine Kameras für Liebhaber und Profis verkauft. Aber wenn sie keinen klaren Kundennutzen haben, ist ihre Zukunft gefährdet. In dem Fall kann das z.B. bessere Qualität bzw. Ausrüstung als der Smartphone, Benutzung unter Wasser, speziell für kleine Kinder usw.

Customer Companx EXcellence Matrix - Besteht aus der Kombination von Kundennutzen und Effizienz der Leistungserzeugung

Die oben genannte Definition des Kundennutzen wurde dem Buch Digitale Transformationsexzellenz entnommen. Darin wird die CCXM (Customer Company eXcellence Matrix) beschrieben. Diese zeigt, dass Unternehmen, deren Kundennutzen niedrig ist, entweder extrem effizient sein müssen, um zu überleben, oder als „Zombie“ künstlich am Leben gehalten werden. Gerade in der Corona-Krise gab es viele „Zombies“, die von dem Staat unter dem Stichwort „Überbrückung“ erheblich geholfen wurden und überdies nicht dazu verpflichtet waren, Insolvenz anzumelden. Außerdem: Wenn Wettbewerber sehr ähnliche Produkte anbieten, bzw. anbieten können, dann wächst der Kostendruck. Das bedeutet jetzt oder später ein Preiskampf. Den kann man nur über sehr hohe Effizienz der Leistungserzeugung gewinnen. Diese ist die zweite Achse der CCXM.

Ein weiterer Grund für den Verlust des Kundennutzen ist, wenn Prozesse und Gewohnheiten sich (radikal) ändern. Denn neue Vorgehensweisen machen das Angebot mancher Unternehmen obsolet: Gelegentlich haben veränderte Prozesse unerwartete Konsequenzen auf die Produktpalette mancher Unternehmen.

Da hilft vielleicht ein Beispiel: Mit der rasanten Zunahme von online-Meetings könnte Otto-office zum Beispiel weniger Flipcharts und mehr Ring Lights für die Videokonferenzen im Heimbüro ins Sortiment nehmen…

Man sieht: Der aktuelle Kundennutzen ist wichtig, echte Strategen behalten aber auch den zukünftigen Kundennutzen im Blick. Ist der zukünftige Kundennutzen niedrig, dann empfiehlt sich zeitnah das Aufgeben des Produktes, unabhängig davon, wieviel der Umsatz aktuell ist. Sonst produziert das Unternehmen zukünftige Ladenhütter.

Faktor 4: Image – Portfolio bereinigen bedeutet manchmal Imageschaden vermeiden

Passt das zum Image? Konzerne aus der Lebensmittelindustrie versuchen, ein gesünderes Image von sich zu vermitteln.

Hier und da ist ein Produkt schlecht fürs Image des Unternehmens. Es könnte eine gute Idee sein, dieses dann vom Portfolio zu entfernen, unabhängig davon, ob er viel Umsatz bringt. Denn langfristig kann ein Image-Schaden mehr kosten, als der jetzige Umsatz bringt.

Ein aktuelles Beispiel aus dem B2C-Bereich ist die Lebensmittelindustrie. Große Akteuren probieren, mit einem gesunden Image den schlechten Ruf der Industrie entgegenzuwirken (Beispiele für Nestle, Unilever, Danone). Produkte, die konträr zu der Image-Strategie die Gesundheit schaden, werden verbessert oder diskret aussortiert.

Man kann sich genauso vorstellen, dass Volkswagen in ein paar Jahren die Diesel-Fahrzeuge aufgibt.

Weiße Weste gebraucht? Portfolio bereinigen.

Faktor 5: Ressourcen – Menschen, Maschinen, Zeit

Zu viele Produkte sind kleine Diven. Sie brauchen spezifische Ressourcen und ganz viel Aufmerksamkeit.

  • Produktionskapazitäten: Es gibt Produkte, die so speziell sind, dass sie nur in der einen Halle produziert werden können, oder dass das Unternehmen für ihre Herstellung eine besondere Maschine anschaffen muss.
  • Menschen: Vielleicht ist die Produktion arbeitsintensiv oder das Produkt ist so einzigartig, dass nur Spezialisten damit umgehen können.
  • Zeit: Manche Produkte bedeuten für die Produktion, für den technischen Vertrieb, für die Logistik usw. mehr Arbeitszeit als andere und zeitweise müssen Arbeitskräfte sich zusätzlich damit befassen (Weiterbildung u.v.m.)

Die verschwenderische Nutzung der Ressourcen im Unternehmen ist ein guter Grund, ein Produkt aus dem Sortiment zu nehmen.

Die Einzigartigkeit mancher Produkten kann auch ein Grund sein, der diese Verschwendung verursacht:

Faktor 6: (kein) Fit im Portfolio

Das Produktportfolio muss nicht komplett aus einem Guss sein. Es macht eben den Reiz aus, dass es verschiedene Produkte für verschiedene Anwendungen gibt. Doch bei manch einem Produkt ist die Einzigartigkeit zu viel: Es sticht aus der Produktpalette heraus.

Es kann sein, dass das Produkt einem anderen Typ von Kunden als die anderen Produkten im Portfolio gefällt. Oder er passt zu den Kunden – aber nicht in unseren Normen.

Customization - Segment of One

Modularisierung: Individuelle Produkte, standardisierte Prozesse – Segment of One

Besonders in dem Fall, wo ein Unternehmen sich um mehr Modularität bemüht, können einzigartige Produkte, für denen viel individuell eingestellt werden muss, ein Problem darstellen. Will das Unternehmen große Fortschritte in die Richtung Modularisierung machen, muss es das Portfolio bereinigen.

Die Frage des Fits im Portfolio ist auf der Seite der Kunden, aber auch auf die Supply-Chain-Seite zu betrachten. Es kann tatsächlich sein, dass ein Unternehmen Beziehungen zu bestimmten Lieferanten ausschließlich mit dem Ziel der Herstellung eines spezifischen Artikels unterhält. Und möglicherweise sind diese auch noch komplizierte Lieferanten:

Faktor 7: Komplikationen in den Lieferprozessen

Wenn die Bauelemente eines Produktes schwer zu beziehen sind oder der Lieferant besonders anstrengend, kann es die Bilanzen des Unternehmens unnötig belasten. Das Portfolio bereinigen bedeutet in dem Fall auch, sich von lästigen Lieferanten zu befreien.

Faktor 8: Logistische Bedenken

Ist ein Produkt schwierig zu lagern, transportieren oder liefern, kann es hohe Kosten verursachen. Die meisten kennen die Erfolgsgeschichte von IKEA und inwiefern es mit Logistikkosten zusammenhängt.

Wenn ein Produkt viele Kosten verursacht, weil es bei der Lagerung spezielle Bedingungen braucht oder beim Transport unhandlich ist, kann es ein Grund sein, es aus dem Portfolio zu nehmen.

Faktor 9: Langzeitbelastung des Unternehmens

KPI - Key Performance Indicator

KPIs: Die Frage der Interpretation ist wichtig.

Wenn ein Produkt viel längere Garantiezeiten bzw. Lagern von Ersatzteilen als die restlichen Angebote im Produktportfolio des Unternehmens benötigt, sollte die Geschäftsführung dieses auf die Bedenk-Liste setzen. Denn auch wenn das Produkt jetzt profitabel ist, belastet es die zukünftigen Bilanzen des Unternehmens. Für ein Kurzzeit-CEO auf dem Karriere-Sprungbrett zur nächstbesten Aufgabe ist das nicht schlimm. Die KPIs stimmen ja. Aber wenn Interesse an die Zukunftsfähigkeit des Unternehmens besteht, sollten solche Altlasten-Verursacher aufgespürt werden.

Die fähigsten Leaders erkennt man daran, dass sie vorausschauend denken können.

Faktor 10: Austauschbarkeit

Das Produkt kann leicht von anderen Produkten ersetzt werden? Das ist ein Grund, sich zu überlegen, ob das Unternehmen das weiteranbieten möchte. Dafür gibt es viele Gründe.

  1. Den Kundennutzen beachten: Den Kundennutzen haben wir schon als Faktor 3 erwähnt. Sollte das Produkt einfach ersetzbar sein, sinkt seinen relativen Kundennutzen.
  2. Kannibalisierungseffekte vermeiden: Wenn unternehmensintern ähnliche, austauschbare Produkte existieren, sollte man einige davon einstellen. Skaleneffekte sind zu erwarten, wenn mehr Kunden das gleiche Produkt kaufen. Es kann sein, dass einige Bedingungen vorher erfüllt werden müssen, Stichwort Modularisierung. Doch wenn die Produktivität danach steigt, dann ist es mittelfristig von Vorteil.
  3. Preiskriege auf Nebenschauplätze aus dem Weg gehen: Sollte der Wettbewerber ein gleichwertiges aber viel günstigeres Produkt anbieten, könnte man ihn diesen Feld lassen, wenn es sich weit weg vom eigenen Hauptschlachtfeld befindet – Stichwort Blue Ocean.
  4. Neue Produktionsverfahren beachten: Denn die machen das Produkt austauschbar. Dabei sollte man besonders ein Verfahren im Auge behalten: 3D-Druck. Sowohl für den Hausgebrauch als auch für die Industrie hat 3D-Druck schon viel verändert, es wird schnell noch viel mehr verändern.

    Paradigmenwechsel 3D-Druck: Eine Technologie, die andere Bedingungen schafft. Auch für unseres CO2-Cube-Projekt haben wir 3D-Druck eingesetzt.

“I used to think the fastest way to do something was to do it out of a piece of metal, I didn’t think I needed 3D printing and now I can’t live without it.“

Charles Boyce, President of Boyce Technologies

Von austauschbaren Produkten sollte man schleunigst das Portfolio bereinigen.

Portfolio bereinigen: Kosten senken und Zukunft sichern

Die Komplexität im Unternehmen reduziert man deutlich, wenn eine systematische Portfoliobereinigung erfolgt. Dabei gibt es viele Faktoren, die man in den Blick nehmen kann bzw. nehmen soll. Eine einfache Lösung gibt es nicht. Es ist klar: „Portfolio bereinigen“ bedeutet erstmals mindestens so viel Mühe wie der Frühlingsputz. Doch für beide gilt: Hat man das einmal gemacht, dann ist die regelmäßige Hygiene viel einfacher.

Noch einmal zur Erinnerung: Warum sollten Sie diesen Aufwand machen? Natürlich um Ihr Unternehmen profitabler zu machen. Ausführlich erklärt haben wir das im Teil 1. Durch die Corona-Krise hat sich vieles geändert und die aktuellen Lieferengpässe sind eine nochmalige Erinnerung: Wenn Sie Ihr Produktportfolio in den letzten 36 Monaten nicht bereinigt haben, ist es wahrscheinlich jetzt die Zeit.

AHA+L fürs Produktportfolio, die Miniserie

Portfolio-Bereinigung - Eine Chance für den Neues

AHA+L fürs Produktportfolio: Teil 1 – Jetzt handeln!

Bisher erschienen:

 


Über den Autor:Share on linkedin

Uwe Brüggemann Interim Manager BerlinUwe Brüggemann ist Geschäftsführer der BM-Experts, Interim Manager, Buchautor und Keynote-Speaker.

Seine Tipps bezieht er aus seiner langjährigen Erfahrung als Produkt-Manager, Leiter Produkt-Management oder Interim-Manager im Bereich Vertrieb und Produkt-Management in global agierenden Unternehmen in den Bereichen High-Tech-Produkte und B2B.


BM-Experts:


BM-Experts GmbH
: Den Kundennutzen steigern

Gute Ideen sind wichtig, doch die Umsetzung ist entscheidend.
Dank unserer Erfahrung im B2B-Vertrieb wissen wir, wie neue Business-Modelle schnell zum Kunden gebracht werden. Wir helfen Unternehmen, den Blickwinkel zu erweitern und die Strategie in Zeiten der Digitalen Transformation zukunftsfähig zu gestalten.

Mehr unter bm-experts.de