Basics Produktmanagement (4): Den Business-Case erstellen

Gibt es im Unternehmen eine zündende Idee für das perfekte Produkt? Hat der Produktmanager schon orakelt, dass dieses mögliche Produkt eine Marktlücke füllen würde, die einen entscheidenden Kundennutzen hat? Dann ist die Zeit gekommen, zu prüfen, ob der Geistesblitz für das Unternehmen wirklich profitabel ist, sprich: einen Business-Case zu erstellen.

Aus der Serie „Basics Produktmanagement“ Den Business-Case vorbereiten Wichtige Analyse-ToolsIm dritten Teil dieser Serie haben wir erklärt, wie das Produktmanagement neue Ideen entdeckt und ihnen eine Form gibt. Doch manchmal passiert Folgendes: Was anfangs als guter Einfall aussah, hat Tücken – und ist am Ende nicht machbar bzw. nicht profitabel. Deswegen sollte eine detaillierte Analyse vorbereitet werden, um die Machbarkeit der Produktidee und ihren Impakt auf dem Unternehmensgeschehen zu analysieren.

Im vorherigen Beitrag dieser Serie haben wir erwähnt, welche Analyse-Tools wir gerne nutzen, um neue Ideen zu generieren, wie zum Beispiel das Business Modell Canvas.

Ein Business Model Canvas eignet sich in der Regel für die visuelle Darstellung, Analyse und Verbesserung des Geschäftsmodells eines Unternehmens. Es kann schnell und einfach entwickelt werden und ist daher gut verwendbar in Workshops oder Teammeetings, oder auch um neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Jetzt wollen wir etwas tiefer einsteigen: Anhand eines Business-Cases wird überprüft, ob die Produktidee eine nähere Betrachtung standhält.

Der Business-Case im Detail

Wenn wir in diesem Beitrag von „Business-Case“ reden, handelt es sich hier um den Produkt-Business-Case, also die Analyse des Produkts oder der Produktfamilie innerhalb des Produktportfolios, nie um einen gesamten Geschäftsfeld.

Ein Business-Case ist ein Dokument, das die Produktidee, die Ziele, Strategien, Aufwände und Pläne für die Umsetzung beschreibt. Er umfasst in der Regel eine Marktanalyse, eine Beschreibung des Produkts, eine Analyse der Konkurrenz, Marketing- und Vertriebspläne, Finanzprognosen und einen Aktionsplan. Der Business-Case dient als Leitfaden für das Unternehmen und als Instrument zur Überzeugung von Investoren, Kreditgebern oder potenziellen Geschäftspartnern. Ein gut ausgearbeiteter Business-Case sollte klar, prägnant und überzeugend sein, um das Vertrauen der Leser:innen zu gewinnen.

Der Produkt-Business-Case ist ein Instrument, der immer wieder notwendig ist: Um die Unternehmensleitung zu überzeugen, um die Finanzierer für sich zu gewinnen und die Mitarbeiter:innen im Unternehmen mitzunehmen. Also nicht nur für die Analyse, aber auch für die Kommunikation ist er unabdingbar.

Am Anfang des Produkt-Businessplans wird die Produkt-Idee ausführlich und für alle verständlich beschrieben.

Am Anfang des Produkt-Businessplans wird die Produkt-Idee ausführlich und für alle verständlich beschrieben. Auch der Marktsegment, wofür das Produkt gedacht ist, wird detailliert vorgestellt. © Bild Rodnae Productions, pexels.com

Ein Business-Case sollte in der Regel folgende Punkte beinhalten:

Produkt-Idee:

Eine ausführliche Beschreibung der Produktidee, einschließlich der Merkmale, Funktionen und Vorteile des neuen Produkts.

Zielmarkt:

Eine Analyse des Zielmarkts, einschließlich der Größe, der Bedürfnisse, der Demografie und andere Umweltfaktoren und des Verhaltens der Zielgruppe, Markttrends und -wachstum.

SWOT-Analyse (kurze Darstellung im Business-Case):

Strengths, Weaknesses, Opportunities and Threats – diese Analyse kann sowohl für die aktuelle Produkten – also das gesammte Unternehmen als auch für das neue Produkte von Relevanz sein.

Über die SWOT-Analyse wird im weiteren Verlauf dieses Artikels berichtet.

Wettbewerb:

Eine Analyse der Konkurrenz, einschließlich der Stärken, Schwächen, Marktanteile, Positionierung und Preise der Konkurrenten.

Dabei ist es wichtig, zu verstehen, dass die Wettbewerber selbst dabei sind, ihre Produkte zu entwickeln. Das heißt: Es wäre ein Fehler, nur aktuell auf dem Markt vorhandene Produkte einzubeziehen. Die Beobachtung der Konkurrenz auf Messen, durch Verfolgung ihrer Aktivitäten und, wenn möglich, Nachfrage bei gemeinsamen Kunden, erlaubt es, die Entwicklung der Mitbewerber vorauszusehen. Ebenfalls irreführend ist es zu glauben, dass der Kostendruck nur im eigenen Unternehmen existiert. Wenn z.B. wie aktuell die Energiekosten steil steigen und das eigene Unternehmen stark belasten, ist es wahrscheinlich, dass die Wettbewerber davon mitbetroffen sind. Die bisherigen Preise der Mitbewerber als Basis für ein Business-Case für die nächsten 5 Jahren zu nennen wäre somit zu vorsichtig.

Marketing- und Vertriebsstrategie:

Interim Manager im Produktmanagement Einsatzbeispiele: Produktmanagement aufbauen/optimieren Produktportfolio-Optimierung Modularisierung des ProduktangebotsEine Beschreibung der Marketing- und Vertriebspläne, einschließlich der Verkaufsstrategie, Preisstrategie, Werbemaßnahmen, Markenbildung und der Vertriebskanäle. Anfangs braucht dieser Teil keine umfangreiche Detaillierung, muss aber vorhanden sein, denn Marketing- und Vertriebsmaßnahmen haben auch einen Kosten.

Dabei ist es wichtig, den Zugang des Unternehmens zum Kunden richtig einzuschätzen und die Voraussetzungen für das neue Produkt abzugleichen. Denn oft unterschätzen Unternehmen die benötigte Zeit für die Einführung eines neuen Produkts am Markt. Hier die Erfahrungswerte heranzuziehen kann eine gute Grundlage bieten.

Management und Organisation:

Eine Beschreibung des Produkt-Teams und der organisatorischen Umstrukturierungsmaßnahmen, die das neue Produkt notwendig macht.

Das gilt vor allem bei teuren und wichtigen Produkten. Wenn die Produktidee viele Ressourcen des Unternehmens (Forschung und Entwicklung, Produktionskapazität, Vertriebsingenieure usw.) in Anspruch nimmt, wenn die Kunden ihre Denkweise adaptieren müssen, wenn Geschäftspartner ausgebildet werden sollten, muss die strukturelle Transformation des Unternehmens mitgedacht werden. Es ist zwar unerheblich für die Unternehmensstruktur von L’Oréal, wenn dieser Kosmetikriese eine neue Lippenstiftfarbe auf den Markt bringt. Die Betrachtung der Einfluss des neuen Produkts auf die Organisation ist bei großen Produkt-Projekten aber unabdingbar.

Finanzprognosen: Der wichtigste Teil im Business-Case

Eine detaillierte Aufschlüsselung der erwarteten Finanzflüsse, darunter

  • Einnahmen: Eine Schätzung der erwarteten Umsätze des Unternehmens, basierend auf der Produktionskapazität, der Preisgestaltung und dem erwarteten Marktanteil.
  • Kosten: Eine Schätzung der erwarteten Kosten des neuen Produktes, einschließlich der Entwicklungskosten, der Produktionskosten inklusive Investitionen (dazu gehört z.B. die Anschaffung von Anlagen und Maschinen), der Betriebskosten, der legalen Kosten (Patentierung, Verträge), der Marketing- und Vertriebskosten sowie der Personalkosten.
  • Finanzierung: Eine Beschreibung der Finanzierung des Produkt-Projektes, einschließlich der geplanten Quellen der Finanzierung (z.B. Eigenkapital, Darlehen) und der Verwendung der Mittel.
  • Cashflow-Prognose: Eine Prognose des Cashflows des Unternehmens, einschließlich der erwarteten Einzahlungen und Auszahlungen.
  • Sensitivitätsanalyse: Eine Analyse der Auswirkungen von Änderungen in den wichtigsten Annahmen auf die Finanzprognosen des Unternehmens, um die finanzielle Robustheit des Plans zu bewerten.

Risiken und Chancen:

KPI - Key Performance Indicator

Eine frühe Definition der relevanten KPIs kann helfen, die Risiken klein zu halten, indem man sie gleich erkennt. Mehr zu KPIs – Key Performance Indicators finden Sie in unserer Definition-Rubrik.

Die Finanzprognosen sollten auf realistischen Annahmen basieren, die auf einer gründlichen Markt- und Wettbewerbsanalyse sowie auf historischen Daten und Trends beruhen. Eine Analyse der Risiken, die mit dem Geschäft verbunden sind, ist unabdingbar. Ebenfalls sollte der Business-Case mögliche Lösungen und Strategien beinhalten, um die Risiken zu minimieren und um die Chancen, die sich bieten, wahrzunehmen.

Aktionsplan:

Ein Aktionsplan, der die nächsten Schritte und die Umsetzung des Plans beschreibt. Die Roadmap sollte auch eine klare Nennung der Verantwortlichen beinhalten, die die Überwachung der Etappen-Ziele führen. Der Zeitplan ist von großer Bedeutung. Denn selten bleibt eine Marktlücke lange offen! Und wer sie als Erste füllt, sichert sich den Löwenanteil.

All diese Informationen sollten klar, prägnant und leicht verständlich dargestellt werden, um der Unternehmensführung zu zeigen, dass das Produktmanagement über eine fundiertes Verständnis verfügt und der Business-Case die überraschenden Ereignisse, die eintreten können, standhalten kann.

Wichtige Instrumente für die Analyse zur Erstellung des Produkt-Business-Cases

In die Vorbereitung des Business-Cases fließen Analysen, die sich auf verschiedenen bekannten und weniger bekannten Methoden stützen.

SWOT-Analyse

SWOT-Analyse – Bild © BM-Experts

Die meisten Leser:innen dieses Blog werden schon wissen, was eine SWOT-Analyse ist. Aber den Produktmanagement-Anfänger:innen (oder gar Business-Novizzen) wollen wir dieses allerwichtigste Instrument nicht vorenthalten.

Stärken (Strengths): Hier geht es um die Superkräfte des neuen Produkts. Was macht es so besonders? Vielleicht hat es ein besonderes Feature, das es zum Vorbild für alle anderen Produkte macht. Da wird sozusagen die Heldengeschichte des Produkts erzählt.

Schwächen (Weaknesses): Jeder Held hat auch seine Schwächen. Das ist bei Produkten nicht anders. Hat es vielleicht ein paar Kanten und Macken, die noch ausgebügelt werden müssen? Vielleicht sind die Kosten höher als die der Konkurrenz. Das sollte realistisch betrachtet werden.

Chancen (Opportunities): Dies ist der Teil, in dem das Produkt noch größer wird. Welche Möglichkeiten gibt es für das Produkt, um auf dem Markt erfolgreich zu sein? Vielleicht kann es eine Marktlücke füllen, die von anderen übersehen wurde.

Bedrohungen (Threats): Welche Bedrohungen gibt es für das Produkt? Welche Trends sind gefährlich? Welche Schwierigkeiten erwarten das Produkt-Team auf dem Weg zur Produkt-Realisierung und -Vermarktung?

Die SWOT-Analyse hilft zur Vorbereitung des Business-Cases, und zwar auch als Analyse sowohl der bestehenden und als auch der neuen Produkte; aber sie gehört ebenso, in einer zusammengefassten Version, in dem fertigen Business-Case.

PESTEL-Analyse

PoliticalEconomic Social Technological Environmental Legal

Die PESTEL-Analyse hilft, die externe Rahmenbedingungen und ihre zukünftige Entwicklung für die SWOT-Analyse zu verfeinen. Bild © BM-Experts

Die PESTEL-Analyse ist ein wichtiges Tool zur Analyse und Bewertung des Umfeldes von Produktmärkten, das für jeden Produktmanager relevant ist. PESTEL steht für

  • Political
  • Economic
  • Social
  • Technological
  • Environmental und
  • Legal.

Die Ergebnisse können in der SWOT-Analyse verwendet werden, um potenzielle Chancen und Gefahren abzuleiten. Bei unterschiedlichen Einschätzungen kann auch die Szenariotechnik eingesetzt werden. Es ist wichtig, sich frühzeitig mit Trends auseinanderzusetzen, um rechtzeitig mit Strategien und Maßnahmen agieren zu können. Trendchecklisten bieten oft eine Hilfe, um alle sechs Einflussfaktoren zu erkennen.

Letztendlich ist nicht jeder Produktmanager auch gleichzeitig Soziologe und Volkswirtschaftler.

Buyer Persona

Dieses Instrument wird hauptsächlich im Marketing oder Vertrieb genutzt, doch ein frühes Verständnis der Buyer Persona ist sehr hilfreich, um das Produkt den richtigen Features zu geben, sowie in dem Business-Case die hilfreichsten Produkt-Vermarktung-Strategien zu vermerken.

Buyer Persona symbolisiert durch Person mit Fragezeichen

Buyer Persona: Eine Definition finden Sie in der „Definitionen“-Rubrik unseres Blogs.

Die Buyer-Persona-Methode ist eine Marketing-Technik, bei der das Unternehmen eine fiktive Person beschreibt, das seine typischen Kunden repräsentiert. Dabei werden dem fiktiven Kunden demografische und psychografische Merkmale zugeordnet, um zu verstehen, welche Bedürfnisse, Interessen und Kaufverhaltensmuster er hat. Mit diesem Wissen kann das Unternehmen seine Marketing-Botschaften und Produktangebote gezielter auf seine Zielgruppe ausrichten, um eine höhere Effektivität der Marketing- und Vertriebsaktivitäten zu erreichen.

Weitere Methoden

Um alle Methoden, die für die Herstellung eines Business-Cases hilfreich sind, aufzulisten und ausführlich zu beschreiben, wäre ein ganzes Buch notwendig. Deswegen nennen wir in diesem Blogbeitrag nur die aus unserer Sicht Wichtigsten, die wir selbst immer wieder nutzen. Es gibt aber viele andere.

Für (fast) alle Methoden ist vorausgesetzt, dass das Unternehmen seinen Markt kennt, d.h., die Arbeiten zur Markt- und Produktsegmentierung schon gemacht worden ist.

Zu gut brauchbaren Methoden gehören die Erstellung eines S/S-Profils (wo man ein Diagramm der eigenen Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmen im Vergleich zu den Wettbewerbern erstellt); die QFD-Methode; die BCG Marktwachstum/Marktanteil Produktmatrix; die GAP-Analyse; die 9-Felder Matrix-nach McKinsey oder die Funktions-Technologie-Matrix.

Produkt-Business-Case: Die Erstellung ist nur der Anfang

Die Vorarbeiten, die zur Vorbereitung des Business-Cases notwendig ist, bedürfen eine tiefe Analyse – welche notwendig ist, um den Erfolg eines Produkts zu gewährleisten. Als Instrument ist der Business-Case unabdingbar, nämlich als Kommunikationstool und Referenz. Er wird immer wieder genutzt und adaptiert. Denn nichts ist im Stein gemeißelt.

Produktmanagement - Selektion Produkt Papier

Produkt Management – Die Blogserie. Hier geht es zum ersten Teil.

Wann und wieso der Produkt-Business-Case immer wieder adaptiert wird, ist Thema in dem nächsten Beitrag dieser Blogserie.

Basics Produktmanagement: Die Blogserie

  • 1. Teil: „Und was machst Du denn so?“
  • 2. Teil: Was macht der Produktmanager tatsächlich?
  • 3. Teil: Die Entstehung der Produktidee
  • 4. Teil: Den Business-Case erstellen (dieser Artikel)

Ausschau

  • Pflichtenheft und Härtegrade
  • Die Aktivitäten entlang der Produktzyklen
  • Die Besonderheiten von Produkten mit digitalem Anteil
  • Unterschiede zu anderen Unternehmensfunktionen
  • Bedingungen für den Erfolg als Produktmanager
  • Beispiele für den Einsatz von Interim Managern im Bereich Produktmanagement

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Uwe Brüggemann Interim Manager BerlinUwe Brüggemann ist Geschäftsführer der BM-Experts, Interim Manager, Buchautor und Keynote-Speaker. Zu seinen Stärken zählt die Fokussierung des Vertriebs auf Kundenbedürfnisse. Seit über 20 Jahren im B2B-Management bringt er reellen Mehrwert besonders da, wo neues Denken erforderlich ist: in der digitalen Transformation, bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle oder bei der erfolgreichen Einführung neuer Produkte. Bei diesen Themen brilliert, überzeugt und begeistert er.

Uwe Brüggemann ist DDIM-Mitglied und Leiter der DDIM.regionalgruppe // Berlin-Brandenburg.


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BM-Experts GmbH: Den Kundennutzen steigern Gute Ideen sind wichtig, doch die Umsetzung ist entscheidend. Dank unserer Erfahrung im B2B-Vertrieb wissen wir, wie neue Business-Modelle schnell zum Kunden gebracht werden. Wir helfen Unternehmen, den Blickwinkel zu erweitern und die Strategie in Zeiten der Digitalen Transformation zukunftsfähig zu gestalten.

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© Beitragsbild: Guillermo Arroyo, www.pexels.com